1521 - 1529
Durch die Unterstützung einiger deutscher Fürsten erhielt ich allerdings die Möglichkeit, vor dem Wormser Reichstag und Kaiser Karl V. eine letzte Verteidigungsrede zu halten. Am 17. und 18. April 1521 forderte mich der Kaiser auf dem Reichstag zu Worms vor Kaiser und Reich, meine Lehre zu widerrufen. Doch mir blieb nichts anderes übrig, als mich zu verweigern. Mir war klar, dass dies auch meinen Tod bedeuten könnte. Ich fühlte mich aber an die Bibel und mein Gewissen gebunden.
Ich sagte auch nicht: "Hier stehe ich und kann nicht anders“.
Das wissen mittlerweile viele. Tatsächlich sagte ich vor dem Reichstag zu Worms:
"Ich kann und will nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!"
Am 8. Mai 1521 wurde ich dann auf dem Reichstag in Worms von Kaiser Karl V, er war gerade mal zwei Jahre im Amt, geächtet. Ich erhielt aber freies Geleit. Ich war vogelfrei. Karl der V. wollte mich, wie alle Ketzer, auf dem Scheiterhaufen sehen.
Auf der Rückreise von Worms wurde ich im Auftrag von Friedrich dem Weisen von Sachsen auf die Wartburg entführt. Viele glaubten damals sogar, ich sei umgebracht worden. Ich hatte Glück, dass mein Landesherr, der Kurfürst von Sachsen, dem Kaiser widerstand und mich schützte.
Dort lebte ich unter dem Decknamen „Junker Jörg“.
Eines Nachts wurde ich dort vom Teufel geweckt. Ich verteidigte mich, indem ich ein Tintenfass gegen ihn warf. Mittlerweile pfeifen es die Spatzen von den Dächern der Wartburg, dass das eine Legende ist. Wahr ist jedoch, dass ich mich einmal erstaunt darüber äußerte, wie groß die Wirkung meiner Schriften war. Es sei, als ob ich "den Teufel mit Tinte vertrieben" hätte.
Von Dezember 1521 bis Februar 1522 übersetze ich dann auf der Wartburg das Neuen Testaments vom Lateinischen ins Deutsche. Ich war übrigens nicht der Erste, der die Bibel ins Deutsche übersetzte. Es lassen sich insgesamt 70 Übersetzungen biblischer Texte ins Deutsche nachweisen, die vor der Reformation verfasst wurden. Das älteste gesamte Neue Testament auf Deutsch ist eine Handschrift aus Augsburg von 1350. Wer beeinducken möchte, kann den Anfang des Vaterunsers auswendig lernen, dessen Übersetzung wir dem Goten Wulfila verdanken. Es stammt bereits aus dem 4. Jahrhundert.
Atta unsar thu in himinam, weihnai namo thein. qimai thiudinassus theins. wairthai wilja theins, swe in himina jah ana airthai. (Das 'th' wird wie im Englischen ausgesprochen.)
Übrigens: Das Besondere an meiner Übersetzung ist, dass ich als Vorlage die hebräischen und griechischen Urtexte verwendete, nicht die lateinische Übersetzung. Dabei übersetzte ich nicht wortgenau, sondern versuchte, den Sinn der biblischen Aussagen ins Deutsche zu übertragen. Dafür erschuf ich auch einige Worte neu, wie etwa: "Feuertaufe", "Schandfleck" oder "Machtwort"
Im Frühjahr 1522 kehrte ich nach Wittenberg zurück und nahm meine Professur wieder auf. In Wittenberg war ich sicher, reisen konnte ich aber nicht mehr.
Wenn ich Bayern, Württemberg oder das heutige Niedersachsen besucht hätte, wäre ich auf dem Scheiterhaufen gelandet.
Viele haben auch schon von meinen sogenannten Tischreden gehört. Man sollte sich allerdings unbedingt klarmachen, dass das keine "Live-Mitschriften" dessen sind, was ich beim Essen predigte. Vielmehr sind es stark überarbeitete Sammlungen von dem, was ich im Alltag so von mir gab.
1523: Reichstag in Nürnberg. Beginn selbstständiger Gemeindebildungen. Nonnen und Mönche treten aus ihren Klöstern aus.
Am 09. Oktober 1524 trat ich aus meinem Orden aus.
1524 – 1525: Die Bauern litten große wirtschaftliche Not. Sie forderten die Milderung ihrer Lasten und die Abschaffung der Frondienste. Damit aber rüttelten sie an der gesamten Gesellschaftsordnung. Sie beriefen sich mit ihren Forderungen auch auf meine Lehre.
Meine Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen" verstanden sie politisch. Dort heißt es: "Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan." Ich selbst hatte das jedoch nur auf den Glauben an Gott, nicht aber auf die Politik bezogen.
In Thüringen mussten sich die Bauern unter Führung von Thomas Müntzer am 15. Mai 1525 geschlagen geben. Die Schlacht bei Frankenhausen endete mit der Gefangennahme und Hinrichtung von Müntzer. Viele tausend Bauern fanden den Tod in dieser und den anderen Schlachten.
Ich hatte mich inzwischen auch gegen die Bauern gewandt, da ich die Gewalt gegen Klöster und Adlige verurteilte. Ich verlangte in meiner Schrift "Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern" die Vernichtung der Aufrührer.
In der Folgezeit wurden die meisten der zerstörten Klöster wiederaufgebaut, während die Mehrzahl der Burgen zerstört blieben und weiter verfielen. Die Anführer der Aufstände wurden hingerichtet, die übrigen Bauern wurden geächtet. Die Ziele der Bauern verwirklichten sich erst mehr als 300 Jahre später in der Märzrevolution von 1848.
1525: Katharina von Bora war eine Ordensschwester und sächsische Adelige. Sie wurde von
ihrem Vater in das Augustiner-Chorfrauenstift Brehna, wo sie lesen und schreiben lernte. Dort kam sie auch in Kontakt mit meinen ersten Schriften. Davon inspiriert, entschied sie sich, gemeinsam mit einigen anderen Ordensschwestern das Stift zu verlassen. Sie baten mich um Hilfe, und ich schickte ihnen einen Wagen, auf dem sie sich verstecken und fliehen konnten. Sie fürchteten sich, nach Hause zurückzukehren und wurden von mir an Männer vermittelt, die sie heirateten und bei denen sie leben konnten.
Ich selbst heiratete Katharina dann am 13. Juni 1525
Sie kümmerte sich um meine Länderein und betrieb zu Zeiten, als die Pest grassierte, ein Hospiz, in welchem sie Kranke pflegte. Ich und Katharina lehnten beide den Zölibat ab und sahen die Ehe nicht als ein Sakrament an. Die Hochzeit eines Mönches und einer Nonne erschien vielen Zeitgenossen allerdings als schwere Sünde.
Wir bekamen sechs Kinder, von denen aber leider nur vier (Margarete von Kunheim, Magdalena Luther, Elisabeth Luther und Paul Luther) das Erwachsenenalter erreichten.
Meine Frau und ich hatten übriges keine Zuschauer beim Sex. Es hat uns niemand wirklich zugeschaut in der Hochzeitsnacht. Aber dennoch gab es mindestens zwei Menschen, die bezeugen mussten, dass Katharina und ich miteinander ins Ehebett stiegen. Erst dadurch wurde die Ehe nach mittelalterlichem Recht gültig.
1529: 2. Reichstag zu Speyer: Der Kaiser fordert die Durchführung des Wormser Edikts und die Einstellung und Zurücknahme jeder kirchlichen Neuordnung. Die reformatorischen Reichsstände protestieren (Protestanten). Vom 15. März bis zum 22. April 1529 wurde in Speyer ein Reichstag abgehalten. Es war der zweite Reichstag zu Speyer. Drei Jahre zuvor war auf dem ersten Reichstag zu Speyer die freie Auslegung des Wormser Edikts durch die Reichsstände beschlossen worden. Jeder Landesherr konnte demnach in Glaubensdingen nach seinem Gewissen handeln. Die Evangelischen waren damit geduldet. Kaiser Karl V. wollte die evangelischen Fürsten nämlich nicht gegen sich aufbringen, weil er sie in seinem Kampf gegen Franz von Frankreich und gegen die Türken hinter sich wissen wollte. Auf dem zweiten Reichstag zu Speyer wollte Kaiser Karl V. das Wormser Edikt nun aber wieder vollständig in Kraft setzen, nachdem er außenpolitisch erfolgreich gewesen war. Die Reformation sollte damit zum Stillstand gebracht werden. Gegen den Mehrheitsbeschluss der Katholiken protestierten die evangelischen Reichsstände, die in der Minderheit waren, am 19. April 1529. Sechs protestantische Fürsten und 14 Reichsstädte erklärten, dass sie in Glaubensfragen allein ihrem Gewissen folgen würden. Sie traten für die ungehinderte Ausbreitung des evangelischen Glaubens ein. Damit bekannten sich auf dem Speyerer Reichstag erstmals Fürsten und Städte öffentlich zu ihrem evangelischen Glauben. Man nennt dies auch die Protestation zu Speyer. Seitdem werden die Anhänger Luthers auch Protestanten genannt. Wer protestierte da? Die sechs Fürsten waren: Kurfürst Johann von Sachsen, Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach, Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg, Landgraf Philipp von Hessen, Franz, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg und Fürst Wolfgang von Anhalt-Köthen. Die vierzehn Städte waren: Heilbronn, Isny, Kempten, Konstanz, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Nürnberg, Reutlingen, St. Gallen, Straßburg, Ulm, Weißenburg und Windsheim.
1529: Abendmahlsstreit und Marburger Religionsgespräch
Die Marburger Artikel sind eine Zusammenstellung von Bekenntnisaussagen, die am Montag, dem 4. Oktober 1529 auf dem Marburger Religionsgespräch entstanden. Ulrich Zwingli und ich sowie weitere Reformatoren hatten sich auf Einladung von Landgraf Philipp von Hessen im Marburger Schloss getroffen, um ihre Differenzen im Verständnis des Abendmahls beizulegen. Der zentrale Streitpunkt war die Lehre von der Realpräsenz Christi in den Mahlgaben Brot und Wein beim Abendmahl. In dem Gespräch, das am 2. und 3. Oktober geführt wurde, kam es jedoch zu keinem Konsens. Landgraf Philipp, der gern einen Erfolg des Gesprächs erreichen wollte, regte darauf an, in einem kurzen Text die Punkte festzuhalten, über die Einigkeit bestünde. Darauf formulierte ich auf Grundlage der Schwabacher Artikel fünfzehn Artikel, von denen vierzehn die Gemeinsamkeiten der lutherischen und zwinglianischen Lehre formulieren. Der Aufbau folgt zum Teil dem Apostolischen Glaubensbekenntnis. Im fünfzehnten Artikel kommt der Dissens in der Frage des Abendmahlsverständnis zum Ausdruck, jedoch weitgehend ohne Bezug auf das zuvor an zwei Tagen geführte Gespräch. Nach Einarbeitung weniger Änderungen wurden die Artikel von allen anwesenden Theologen unterzeichnet. Da beide Seiten bald nach der Abreise unterschiedliche Interpretationen des Textes vornahmen, erreichte er keine offizielle Geltung und erzielte auch nicht die von Landgraf Philipp erhoffte Wirkung als Grundlage eines politischen Bündnisses. Die neuere Forschung bewertet sie aber als „Zeugnis der historischen Einheit der frühen Reformation“.
1529: Ausgabe des großen und kleinen Katechismus.
Der Kleine Katechismus ist eine kurze Schrift, die ich 1529 als Einführung in den christlichen Glauben verfasst habe. Über Jahrhunderte war er nicht nur in den lutherischen Kirchen, sondern auch in den öffentlichen Schulen in evangelischen Gebieten eins der wichtigsten Unterrichtsmittel; auch jetzt noch wird er in lutherischen und unierten Kirchen oft im Konfirmandenunterricht benutzt. Neben der Confessio Augustana gehört er in allen lutherischen Kirchen zu den Bekenntnisschriften, die Grundlage der kirchlichen Lehre sind.
Ich hatte 1528 auf meinen Visitationsreisen erkannt, dass das Kirchenvolk den christlichen Glauben und die reformatorischen Einsichten nur lückenhaft kannte. Deshalb arbeitete ich eigene Predigten über die Stoffe des Katechismus zum später so genannten Großen Katechismus um. Noch bevor dieser fertig war, entschied ich mich jedoch, zunächst ganz elementare Grundlagen zu schaffen. So erschienen im Januar 1529 die ersten Tafeldrucke der einzelnen Katechismusstücke, gedruckt vom Wittenberger Drucker Nickel Schirlenz. Im Mai, einen Monat nach dem Großen Katechismus, erschien dann der gesamte Kleine Katechismus. In der Vorrede erklärte ich als Ziel des Buches, den Pfarrern eine Hilfe zum Unterricht zu geben sowie den Hausvätern eine Grundlage für die Unterweisung ihrer Familienangehörigen (hierzu gehörte damals auch das Gesinde) im christlichen Glauben zu bieten.
Schon vor dem Kleinen Katechismus gab es Katechismen, die die Zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser umfassten. Ich erweiterte den Katechismus um die Sakramente Taufe, Abendmahl und Beichte, so dass der Kleine Katechismus folgende Themen behandelt: die Zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, das Sakrament der heiligen Taufe, das Sakrament des Altars oder das heilige Abendmahl und das Amt der Schlüssel oder die Beichte (später eingefügt) gehörte zunächst nicht zum Kernbestand des Kleinen Katechismus.
Der kleine Katechismus beginnt mit einer Vorrede und behandelt dann die Themen in einzelnen Abschnitten (Hauptstücke). Die Zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser sind im Wortlaut aufgeführt. Zusätzlich werden sie – ebenso wie die restlichen Themen – in Frage-Antwort-Form kurz erklärt.
Im Frühjahr 1529 hielt ich erneut Predigten und vollendete auf deren Grundlage den Großen Katechismus. Ein erster Druck in Buchform erfolgte durch Georg Rhau in Wittenberg ab April 1529 unter dem Titel Deutscher Katechismus. Er enthielt eine Vorrede sowie ausführliche Einführungen in die Zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser und die Sakramente Taufe und Abendmahl. Vom zweiten Druck, noch im selben Jahr, an umfasste der Große Katechismus die „Vermahnung zur Beichte“. Diese Ausgabe war geschmückt durch reiche Illustrationen, z. T. von Lucas Cranach dem Älteren. Eine zweite Vorrede verfasste ich 1530 für die dritte Auflage; sie ist auch in der letzten von seiner Hand bearbeiteten Ausgabe im Jahre 1538 enthalten.
Zu den ersten Übersetzungen des Großen Katechismus zählt eine von Johannes Bugenhagen erstellte niederdeutsche Fassung. Der Humanist Vincentius Obsopöus sorgte rasch nach Erscheinen des ersten Druckes für eine Fassung in lateinischer Sprache, die durch die Einarbeitung von Interpretationen und Zitaten antiker Schriftsteller erheblich an Umfang gewann.
Gemeinsam mit dem Kleinen Katechismus wurde der Große Katechismus ins Konkordienbuch (1580) übernommen und gehört zum Lehrbestand der Evangelisch-Lutherischen Kirche.