Urkunde König Heinrichs IV. für Worms
Die Urkunde von 1074 für Worms, auch als "Privilegium Heinrici IV." bekannt, ist von historischer Bedeutung, da sie als die älteste erhaltene deutsche Königsurkunde für die Einwohner einer Stadt gilt.
Vorgeschichte:
Das Relief hat eine Größe von 31x19cm und damit das Maß und die Größe eines Biberschwanz Dachziegels. Das Relief wurde in den 1970er Jahren durch das Dachziegelwerk Lauterbach, Vogelsberg, in Handarbeit als Wandschmuck hergestellt.
Seinerzeitige Eigentümer des Dachziegelwerkes waren die Freiherrn Riedesel zu Eisenbach. Dies erklärt auch die rückseitige Gravur, ein Eselskopf. Gewicht: 1807 Gramm
In dieser Zeit revoltierten Ende November oder Anfang Dezember 1073 die Einwohner von Worms gegen ihren Stadtherrn, Bischof Adalbert von Worms. Sie vertrieben dessen Militär und boten dem König Schutz in ihrer stark befestigten Stadt an. Dieses Ereignis gilt als das früheste Zeugnis für eine selbstorganisierte militärische Reaktion der Stadtbewohner gegen ihren Stadtherren.
Die Urkunde von 1074 stellt die Ereignisse so dar, dass der König sich an die Großen des Reiches wandte und nicht direkt an die Einwohner von Worms. Die Quellen schweigen weitgehend über das Konfliktpotential zwischen dem Bischof als Stadtherrn und seinen Untertanen. Der König erhielt einen festlichen Empfang in Worms, übernahm die Stadtherrschaft und ein Bischof sollte für etwa ein halbes Jahrhundert nicht zurückkehren.
Der Kontext der Urkunde betont die herausragende Hilfe, die Worms dem König in einer politisch schwierigen Situation leistete. Die anderen Städte hätten sich gegen den König verschlossen, während Worms sich bewaffnet für ihn offen hielt. Die Hilfeleistung der Wormser wird als vorbildlich dargestellt, und sie werden als würdiger als Bürger jeder anderen Stadt betrachtet. Die Urkunde dient auch als politisch-programmatisches Manifest, das andere Städte ermutigt, gegen ihre Stadtherren zu rebellieren, wenn diese sich gegen den König stellen.
Die Urkunde von König Heinrich IV. vom 18. Januar 1074 befreit die Wormser von königlichen Zöllen in verschiedenen Städten als Anerkennung für ihre Hilfe. Dies ist die erste Zollbefreiung für eine Stadtgemeinde und bleibt bis zur frühstaufischen Zeit die letzte. Die Begünstigten sind nicht eindeutig benannt, aber es wird angenommen, dass die autonome Organisation der Einwohnerschaft, insbesondere einer Gruppe von jüdischen und christlichen Fernhändlern, entscheidend war.
Die Urkunde spricht die Einwohner als habitores, cives und judei et coeteri Uvormatienses an. Dies markiert einen neuen Anfang, da es das erste königliche Privileg für Einwohner einer Stadt ist, nicht für den Stadtherrn. Der Begriff cives wird hier erstmals für Einwohner verwendet und wird später hauptsächlich für italienische Städte genutzt. Dies weist auf den Beginn eines neuen städtischen Selbstverwaltungskonzepts hin.
Die Tatsache, dass der König mit Nicht-Adeligen zusammenarbeitete, wirft Fragen zu Rang und Ehre auf, die in der mittelalterlichen Gesellschaft hochsensibel waren. Die erhaltene Urkunde und andere aus dieser Zeit deuten darauf hin, dass es eine Selbstorganisation der Bürger gab, die die Bewahrung dieser Dokumente sicherstellte und eine rudimentäre Form einer institutionalisierten Stadtgemeinde darstellte. Es bleibt jedoch unklar, wie diese Zusammenarbeit von Zeitgenossen wahrgenommen oder problematisiert wurde.
Siegel Heinrich IV.
Der geringe Umfang der Zeugenliste spiegelt die prekäre Situation Heinrich IV. an der Wende der Jahre 1073/74: Mit nur noch wenigen Anhängern hatte er sich nach Worms in Sicherheit bringen können. Als Zeugen nennt die Urkunde:
Erzbischof Liemar von Bremen (Amtszeit: 1072 und 1101)
Bischof Eberhard / Eppo von Naumburg (genannt zwischen 1045 und 1079)
Bischof Dietrich von Verdun (Amtszeit: 1046 oder 1047–1089)
Bischof Hermann von Bamberg (Bischof von 1065 bis 1075, † 1084)
Bischof Burchard von Basel (um 1040–1107)
Übersetzung: Heinrichs IV. Privileg für Worms (18. Januar 1074)
Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit. Heinrich [IV., König 1056- Es ist Aufgabe königlicher Gewalt und Güte, den Dienst aller Leute mit angemessenen guten Gaben zu entgelten [belohnen], in der Weise also, dass diejenigen, die sich in der Ergebenheit des Dienstes besonders bereitwillig zeigen, auch beim Entgelten des Dienstes sich freuen können, als besonders verdienstlich und besonders erhaben beurteilt zu werden. Und unter diesen haben Wir die Einwohner der Stadt Worms nicht eines ganz kleinen, sondern eines ganz großen und besonderen Entgelts für würdig, nein: für würdiger als alle Bürger jeglicher Städte angesehen – sie , von denen Wir wissen, dass sie in der ganz großen Erschütterung des Reiches mit ganz großer und besonderer Treue gewonnen hatten. Und diese Treue haben Wir deswegen so hervorragend genannt: Während alle Fürsten des Reiches unter Missachtung des heiligen Bandes der Treue gegen Uns wüteten, gaben sie allein sich gleichsam dem Untergang preis und unterstützten Uns gegen den Willen aller. Denn während alle Städte [...] bei Unserem Herannahen die Tore schlossen, während man Wachposten zur Nacht abwechselnd verteilte [...], hat allein Worms mit der allgemeinen Zustimmung der Bürger [...] uns einziehen lassen. [...] Daher sollen sie bei der gebührenden Belohnung ihres Dienstes allen als Beispiel dienen, die alle in der Bewahrung des heiligen Bandes der Treue übertroffen haben. [...]
Diese Förderung lässt sich zwar in wenigen Worten zusammenfassen, doch in deren Einschätzung selbst wird sie nicht als geringfügig, sondern als willkommen und ehrenvoll angesehen. Denn die Abgaben, die man in deutscher Sprache als „Zoll“ bezeichnet, welche die Juden und die anderen Wormser in allen Zollstätten des Königs – also Frankfurt, Boppard, Hammerstein, Dortmund, Goslar, Enger – bei der Durchreise zu zahlen verpflichtet waren, haben Wir den Wormsern erlassen, so dass sie künftig keinen "Zoll“ mehr zahlen.
Und dies haben Wir in Gegenwart Unserer Fürsten – also Liemars des Erzbischofs von Hamburg, der Bischöfe Ebbo von Naumburg, Dietrich von Verdun, Hermann von Bamberg und Burkard von Basel – sowie der übrigen Getreuen von Christus und von Uns rechtskräftig gemacht. Dass diese Rechtsbestätigung, die über die Aufhebung des genannten „Zolls“ stattfand, keiner unserer Nachfolger, also keiner der Könige oder Kaiser, aufhebt, bitten wir inständig, und Wir verbürgen Uns für die wünschenswerte Dauerhaftigkeit der Handlung eines jeden. Wer – und das sei ferne! – Uns dabei irgendwie schwächt, möge gewiss sein, dass er sich selbst und was er tut schwächt. Diese Bestätigung, die, wie man unten sieht, mit eigener Hand auf dieser Urkunde, die Wir haben schreiben lassen, eingeschrieben und mit dem Aufdruck Unseres Siegels versehen ist, haben Wir der Kenntnis allen künftigen und gegenwärtigen Volkes hinterlassen.
Handzeichen des Herrn Heinrich IV., des allerdemütigsten und unüberwindlichsten Königs. Ich, Kanzler Adalbero, habe in Vertretung des Erzkanzlers Siegfried die Ausfertigung beglaubigt. Gegeben am 18. Januar, im Jahre der Geburt des Herrn 1074, in der 12. Indikation [=Steuerzyklen], aber im 19. Jahr des Herrn Heinrich, des 4. Königs seines Namens, dem 17. Jahr seines Königtums; geschehen zu Worms; Heil und Segen im Namen Gottes. Amen.
Zitiert nach: Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte bis 1250. Ausgewählt und übersetzt von Lorenz Weinrich. Darmstadt 1977. (=Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. 32), S. 133 u. 135. (Gekürzt und geringfügig sprachlich bearbeitet).
Gedenkmedaille "950 Jahre Urkunde Heinrich IV. für Worms"
Am 18.01.1074 verlieh König Heinrich eine Urkunde an Wormser Bürger, die ihn bei seiner Flucht aus Sachsen. Diese Urkunde war die erste ihrer Art, die im damaligen deutschen Reich verliehen wurde. Die Sonderprägung zeigt ein Siegel von König Heinrich IV. sowie sein damaliges Signe. Aus reinstem Silber gefertigt und in Handarbeit gepägt wird es nur 950 Exemplare dieser besonderen Prägung geben.
Die Gedenkmedaille kann in Worms im Raschi-Haus für 69 Euro erworben werden.
Alternativ kann man sie hier auch online bestellen: EUROMint
Stadt Worms
PDF Ausführliche Infos zur Urkunde
Sonderstempel Worms 15.06.2024
Briefmarkenausstellung zur Kulturnacht: Das WORMSER Theater (unteres Foyer) Rathenaustraße 11 67547 Worms
RECHTECKSTEMPEL
Deutsche Post Philatelie 950 Jahre kommunale Selbstverwaltung Urkunde von 1074 für Worms KULTURNACHT 2024
Signatur aus der Originalurkunde
Stempelnummer: 11/068
Bild im Rathaus
Beim Wiederaufbau nach dem Krieg erhielt der Rathausneubau eine Reminiszenz an das untergegangene Gemälde: Eine Wand des repräsentativen Treppenaufgangs zum zweiten Obergeschoss trägt ein Sgraffito des Künstlers Gerhard Pallasch (1923–1995) mit dem gleichen Thema: König Heinrich IV. übergibt die Urkunde von 1074 an die Bürger der Stadt.
Entwürfe für das Sgraffito im Rathaus von Gerhard Pallasch
Sgraffito ist eine Kunsttechnik, bei der eine Oberfläche, typischerweise eine Wand oder eine Keramik, durch Schaben, Kratzen oder Ritzen gestaltet wird. Es entsteht ein dekoratives Muster oder Bild, indem die oberste Schicht einer zweifarbigen oder mehrfarbigen Oberfläche entfernt wird, um die darunter liegende Farbe freizulegen. Diese Technik wurde historisch oft in der Architektur verwendet, insbesondere während der Renaissance und des Barock, um Fassaden zu verzieren. Heute wird Sgraffito auch in anderen Kunstformen wie Keramik und Malerei angewendet.
Impressionen zur Ausstellung am 15.06.2024 - Kulturnacht Worms: