Nach dem Ersten Weltkrieg lag nicht nur das Deutsche Kaiserreich in Trümmern – auch seine Rituale verloren ihren Platz im neuen Alltag. Der Sedantag, einst gefeiert wie ein Nationalheiligtum, verstummte. Und in Worms? Dort blieben nur noch die traditionellen Messen zu Pfingsten und Allerheiligen – letzte Relikte einer Zeit, die langsam verblasste. Doch auch diese Feste verloren Jahr für Jahr an Glanz, während die Menschen nach neuen Anlässen für Lebensfreude suchten.
Es war im Frühsommer 1933, als in Worms erste Stimmen laut wurden: „Wir brauchen wieder ein großes Fest!“
Ein Fest, das verbinden sollte. Hoffnung geben. Den Rhein wieder zum Puls der Stadt machen.
Der Verkehrsverein übernahm die Herausforderung, und in seinem Zentrum: Verkehrsdirektor Konrad Fischer – ein Mann mit Erfahrung, Visionen und dem Mut zum Neuanfang. Bereits zu Beginn des Jahrhunderts hatte er das kurzlebige „Rosenfest“ ins Leben gerufen.
Nun, mit einem wachen Blick für Zeitgeist und Geschichte, erfand er etwas Neues: Ein Weinfest am Rhein, zur alten Zeit des Sedantages, aber ohne politische Aufladung – dafür mit Genuss, Gemeinschaft und einem Augenzwinkern.
Der Name? Backfischfest.
Ungewöhnlich. Bodenständig. Genau richtig.
Im September 1933 öffnete das neue Fest zum ersten Mal seine Pforten – neun Tage Frohsinn am Fluss. Trotz Skepsis von Wirten und Fischern war die Resonanz überwältigend. Der Duft von Wein und Zwiebelkuchen lag über den Zelten, Lachen und Musik füllten die Straßen. Worms hatte sich ein Stück Lebensfreude zurückgeholt.
Doch die Jahre des Krieges brachten erneut eine erzwungene Stille.
Erst 1949 durfte das Fest wieder aufblühen – bunter, reicher und fest verwurzelt in der Stadt: mit dem Wonnegauer Weinkeller, dem spektakulären Fischerstechen, dem Gesellentanz, dem Feuerwerk und der feierlichen Ausweitung der Fischerwääder Kerb. Das Backfischfest wurde mehr als nur ein Volksfest – es wurde zum Symbol des Aufbruchs.
Dann kam das Jahr 2020 – ein anderes Kapitel der Geschichte. Nicht Krieg, sondern ein unsichtbarer Gegner lähmte das öffentliche Leben: die Corona-Pandemie. Großveranstaltungen waren verboten, das Fest musste erstmals seit dem Krieg abgesagt werden.
Doch auch diesmal gaben die Wormser nicht auf. Mit einem ausgeklügelten Hygienekonzept in der Hand wandten sich die Schausteller an die Behörden – und bekamen grünes Licht für einen mutigen Ersatz: das Volksfest Nibelungenland. Weniger Rummel, weniger Glanz – doch das Herz schlug weiter. Zwischen Abstand und Masken erwachte etwas, das selbst Viren nicht ersticken konnten: Zusammenhalt.
Heute ist das Backfischfest mehr als Tradition.
Es ist eine Geschichte des Wandels, der Rückschläge – und des unerschütterlichen Willens, immer wieder aufs Neue zu feiern, was das Leben lebenswert macht.
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Braut für den Bojemääschter für 2025, es ist seine 16.Braut Marie Bickel.